Scheitern fühlt sich selten göttlich an. Eher wie ein Absturz. Wenn eine Beziehung zerbricht, wenn ein gemeinsames Leben auseinandergeht, bleibt oft das Gefühl zurück, versagt zu haben. Eine Ehe endet – und mit ihr bricht die eigene kleine Welt in sich zusammen. So mühsam aufgebaut, so lange gehalten. Der Boden unter den Füßen gibt nach. Was bleibt, ist Schmerz, Trauer, Scham. Und über allem liegt ein schwerer Erwartungsdruck – von außen, aber oft auch von innen: dass man doch irgendwie schnell wieder klarkommen sollte. Dass man darüber nicht spricht. Dass man einfach weiterfunktioniert. Aber wie kann man etwas loslassen, das einst so zentral war? Wie Abschied nehmen von Träumen, Plänen, vom gemeinsamen Leben?
Kurz vor Karfreitag, in einer Woche, die selbst voller Brüche und Wunden steckt, fand in der Friedenskirche in Mülheim – und auch an vielen anderen Orten in und um Köln – ein Segnungsgottesdienst für Getrennte und Geschiedene statt. Für alle, die etwas zurücklassen mussten, das einst unverrückbar schien. Ein Raum für Schmerz. Ein Raum für das Zerbrochene. Ein Raum, in dem Scheitern nicht versteckt, sondern unter den Segen gestellt werden darf. Ein Raum, der nichts beschönigt, aber Halt gibt.
Der Kirchraum ist schlicht. Etwas Kerzenschein. Ein paar Distelzweige. Sanfte Celloklänge. Es ist eine tastende, fast zerbrechliche Stimmung. Alles wirkt fragil und offen und gleichzeitig irgendwie getragen. Was man selbst nicht mehr tragen kann, darf hier abgelegt werden. Symbolisch in ein kleines Päckchen gepackt – als Zeichen: Gott, trage du es. Kleine Brocken aus einem Klumpen Salz wurden mit dem Hammer für geweinte und ungeweinte Tränen herausgelöst. Für all das, was raus will und doch oft keinen Weg findet. Was nie gesagt wurde, konnte aufgeschrieben und im Wasser aufgelöst werden. Worte verschwammen zu einer bewegten, wortlosen Wolke – nicht mehr greifbar, aber auch nicht mehr drückend. Und dazwischen Licht. Kleine Flammen für Menschen, die irgendwie mit drinhängen. Freund*innen, Kinder, Eltern. Für die, die bleiben, auch wenn sie selbst nicht wissen, wie. Die tragen, obwohl sie selbst vielleicht wanken. Und bei all dem auch die leise Frage nach dem Guten: Gab es nicht auch starke Momente? Augenblicke, in denen man gelernt hat, auf sich selbst zu achten, sich zu behaupten, der eigenen Stimme zu vertrauen? Für jede dieser Erinnerungen durfte ein goldener Punkt aufgeklebt werden. Ein stilles Zeichen dafür, dass auch im Zerbrochenen etwas Kostbares liegt.
Es war kein lauter, kein pathetischer Gottesdienst. Vielmehr ein leiser Ort für das, was oft keinen Platz bekommt. Für das, worüber man nicht spricht, weil man sich schämt, weil man selbst kaum versteht, wie es so weit kommen konnte. Hier durfte all das sein. Ganz ohne Floskeln. Vielleicht ist Scheitern nicht göttlich im triumphalen Sinn. Aber göttlich ist, wenn Schmerz einen Platz bekommt. Wenn Zerbrochenes nicht weggeschoben wird, sondern gehalten werden darf. Wenn sogar das, was nicht mehr heilbar ist, unter seinen Segen gestellt wird.